Tödlicher Cocktail (Kurzkrimi)



Tödlicher Cocktail

©2015 by Alexa Innocenti


"Hallo Fremder", schnurrte Katja und zog den Mann vor der Tür zu sich in die Eingangshalle. Sie rieb ihren halbnackten Körper verführerisch an seiner Lederjacke und ließ ihre manikürten Hände unter sein T-Shirt gleiten. So harte Bauchmuskeln, dachte sie erregt und schmiegte sich an seinen durchtrainierten Körper. Er drängte sie in Richtung Küche, doch sie nahm seine Hand und führte ihren Gast in das pompöse Schlafzimmer. "Komm, ich will es in seinem Bett treiben", hauchte sie und nestelte bereits an seiner Gürtelschnalle.

"Nein, nicht hier", widersprach Derek. "Hier stinkt´s nach alter Mann."  Und ehe sie es sich versah, hatte er sie herumgewirbelt und ins angrenzende Badezimmer geschoben, wo er sie direkt vor dem großen Spiegel so richtig in die Mangel nahm.

"Hmmm, das hat gut getan", seufzte Katja später und sammelte ihre zerrissene Unterwäsche vom Boden auf. Schade um den Büstenhalter, dachte sie kurz und warf ihn dann schulterzuckend in den Abfalleimer. Egal, die letzte Stunde war es allemal wert.

 "Du warst ganz schön notgeil. Dein Mann gibt´sdir wohl nicht ordentlich, was?"

Katja prustete verächtlich. "Bei dem geht´s nur mit Viagra. Und seit seinem Herzanfall vor drei Jahren nimmz er nicht einmal mehr das. Was soll ich denn Bitteschön machen, kannst du mir das mal sagen? Ich bin schließlich erst dreissig und habe nun mal meine Bedürfnisse."

Derek hob abwehrend die Hände. "Hey, mich geht das nichts an. Du kannst tun und lassen, was du willst." Er zog seine Jeans hoch und schlüpfte in die Jacke. "Tja, ich muss los. Wenn´s dich mal wieder juckt - du weißt ja, wo du mich finden kannst. Ciao Babe." Schon ging er zügig die Treppe hinunter.

Jetzt oder nie, sagte sich Katja und hastste ihm nach. "Derek, warte! Ich muss dich etwas fragen..."

* * *

Katja tigerte nervös in ihrem riesigen Wohnzimmer hin und her und  warf alle paar Sekunden einen Blick auf das Display ihres Handys. Derek hatte versprochen, sie umgehend über das Gespräch mit seinem Bekannten zu unterrichten. Verdammt, warum dauert das so lange! Sie musste unbedingt Bescheid wissen, jetzt gleich. In zwei Stunden würde Alfred nach Hause kommen, dann musste sie wieder in die verhasste Rolle der liebenden Gattin schlüpfen. Lange konnte sie sich nicht mehr verstellen, soviel war sicher. Das Problem war nur: wenn sie ihn verließ, würde sie mit leeren Händen gehen. Sie selbst hatte diese Klausel des Ehevertrags vor ihrer Hochzeit unterschrieben. Wie naiv sie damals war!  Doch da hatte sie noch eine gewisse Zuneigung zu dem wesentlich älteren Mann verspürt. Vielleicht konnte man es sogar als Liebe bezeichnen. Was wußte sie schon davon. Doch im Laufe ihrer fünf Ehejahre hatte sich der einst friedfertige und großzügige Alfred in einen geizigen Despoten verwandelt. Das Zusammenleben mit ihrem Gatten war für Katja mittlerweile eine einzige Qual. Doch wer zuletzt lacht, lacht am Besten, dachte sie und lächelte grimmig. In diesem Augenblick klingelte das Telefon.

 "Warum müssen wir uns hier in dieser Einöde treffen? Es ist saukalt!", motzte Katja und schob fröstelnd die Hände tief in ihre Manteltaschen. 

"So etwas kann man nicht am Telefon besprechen", knurrte Derek. Er fühlte sich sichtlich unwohl und sog nervös an seiner Zigarette. "Also pass auf. Ich habe mit Ramòn gesprochen - "

"Und?"

"Er macht's."

"Wirklich? Das ist ja großartig! Oh mein Gott! Und wann?" Katja klatschte vor Begeisterung in die Hände und strahlte über das ganze Gesicht.

"Warte mal, freu dich nicht zu früh. Ramòn ist teuer. Ich weiß nicht, ob du soviel Geld hast."

"Machst du Witze? Weißt du eigentlich, wie reich Alfred ist? Nach seinem Tod gehört alles mir. Und du redest von Geld..." Sie lächelte ihn milde an und Derek dachte bei sich, was der gute Alfred wohl damals an dieser Schlampe gefunden hatte. Nun ja, er konnte es sich lebhaft vorstellen. Katja geizte nicht mit ihren Reizen, und in Zusammenhang mit ihrem Schmollmündchen und den babyblauen Augen konnte sie wohl jedem Mann den Kopf verdrehen. Er empfand plötzlich tiefe Abscheu für dieses blonde Gift.

"Er will 15.000 Euro" schleuderte er ihr entgegen und beobachtete zufrieden, wie ihr selbstgefälliges Lächeln erstarb. "Die Hälfte sofort, die andere Hälfte nach Erledigung des Auftrags. Und, bist du noch immer dabei?", höhnte er.

"Das soll wohl ein Witz sein. Es gibt Leute, die machen das für ein Taschengeld", empörte sich Katja. Ihre Gedanken rasten. Sie hatte außer ein paar hundert Euro kein Bargeld, weder zu Hause noch auf der Bank. Alfred hielt sie ständig an der kurzen Leine. Doch halt, der Schmuck!

 "Hör zu, soviel Bares habe ich nicht, und ich denke ein Scheck wäre in diesem Fall nicht angebracht." Sie lächelte kurz über ihren missglückten Versuch eines Scherzes. "Aber ich kann ihm meinen Schmuck anbieten, hier..." Katja nestelte am Verschluss ihrer Rolex und hielt sie Derek unter die Nase. "Die hat viertausend Euro gekostet. Ein Geschenk zu Weihnachten. Und dieser Ring bringt bestimmt auch nochmal zweitausend ein", sagte sie aufgeregt und zog ihren Diamantring vom Finger.

 "Ich weiß nicht...im Haus gibt es doch bestimmt einen Tresor, oder nicht? Es kann doch nicht sein, dass du kein Geld hast."

Katja seufzte abgrundtief. "Es gibt einen Tresor, da hast du recht. Doch darin befinden sich nur Wertpapiere und andere Dokumente. Nichts, was mir weiterhilft."

 Derek steckte den Schmuck achtlos in seine Gesäßtasche und stieg in seinen Wagen. "Ich werde ihn fragen, ob er einverstanden ist. Bis bald." Katja sah dem Auto ihres Lovers nach, bis es um eine Biegung verschwunden war. Ramòn musste einfach einverstanden sein! Wäre sie gläubig, würde sie die Himmelsmächte um Hilfe anflehen. Doch wie heißt es so schön, dachte sie zynisch und drehte den Zündschlüssel: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Oder in diesem Fall eben ein Profikiller...

Eine Woche später saß Katja im Flugzeug nach Warschau, um ihre angeblich kranke Mutter zu besuchen. Sie konnte es immer noch kaum

glauben, dass Alfred dieser Reise ohne weiteres zugestimmt hatte. Normalerweise behütete er sie wie seinen Augapfel und ließ ihr fast keinen Freiraum. Ein Wunder, dass sie sich die wenigen Schäferstündchen mit Derek herausnehmen konnte, dachte sie grinsend und fühlte sofort ein angenehmes Ziehen in den unteren Regionen. Nach ihrer Rückkehr als reiche Witwe würde es noch viele Dereks in ihrem Leben geben...Sie überlegte, ob sie auch Dereks Schicksal in Ramòns fähige Hände legen sollte. Er war immerhin der Vermittler zwischen Auftraggeberin und Killer und damit eine Schwachstelle in ihrem perfekten Plan. Leider hatte sie sich ziemlich in ihn verguckt, vor allem seit er so rührend besorgt um sie schien.

 "Bitte, Katja", flehte er, als sie sich gestern leidenschaftlich von ihm verabschiedete. "Bist du dir ganz sicher, was du tust? Es ist noch nicht zu spät, den Plan abzusagen. Wenn Ramòn nicht innerhalb einer Woche nach der Beerdigung den Rest des Geldes bekommt, bringt er dich um. Er ist eiskalt, glaube mir. Es war schon schwer genug, ihm den Schmuck anzudrehen, und er hat es nur mir zuliebe akzeptiert. Aber wenn du ihn austricksen willst, wird er ohne mit der Wimper zu zucken ein Exempel statuieren und dich töten. Bist du dir dessen bewusst?"

"Das weiß ich doch, mein Lieber. Doch ich werde jetzt so kurz vor dem Ziel keinen Rückzieher machen. Es ist doch bereits alles besprochen. Ramòn hat einen Hausschlüssel zur Villa und wird die K.O.-tropfen in Alfreds abendlichen Gin geben, während ich meinen alten Knacker am Telefon ablenke. Alfred wird leider Gottes durch diesen tödlichen Cocktail einen Herzstillstand erleiden und mich als trauernde, aber steinreiche Witwe mit einem bombenfesten Alibi zurücklassen. Ich bezahle deinen Freund und wir beide leben glücklich bis ans Ende unserer Tage. Hör also auf, dir Sorgen zu machen, ja?"

* * *

Schwarz ist definitiv nicht meine Farbe, entschied Katja und nahm den schicken kleinen Hut mit dem dezenten Gesichtsschleier angeekelt von ihrer auftoupierten Mähne. Gott, was für eine anstrengende Beerdigung. Zum Glück war diese Prozedur nun auch überstanden. Sechs Wochen hatte die Gerichtsmedizin Alfreds Leichnam einbehalten, solange bis alle toxikologischen Tests ausgewertet waren. Natürlich hatten sie nichts nachweisen können. Katja wusste, dass sich die Substanzen der Droge nur wenige Stunden im Körper nachweisen lassen. Seufzend schleuderte sie die Pumps von den Füßen, stieg aus dem schwarzen Kostüm und genehmigte sich erst einmal eine ausgiebige Dusche. Um fünf Uhr hatte sie einen Termin beim Testamentsvollstrecker. Und morgen früh würde sie als Erstes mit dem Erbschein in der Hand zu Alfreds Hausbank marschieren, sein Konto abräumen und endlich Ramòn zufrieden stellen können. Und wahrscheinlich würden weitere 15.000 Euro den Besitzer wechseln und der hübsche Derek würde in naher Zukunft Alfred wo auch immer Gesellschaft leisten. Und dann wollte sie so rasch wie möglich die Villa hier verkaufen und sich eine Finca auf Mallorca gönnen und...Sie warf sich quer über das

Bett und hing lächelnd ihren Träumereien nach.

Sie wusste, dass Ramòn sie beobachtete, als sie die gläserne Eingangstür aufstieß, die zum Büro von Alfreds Notar und langjährigem Freund, Dr. Klaus Seiffert, führte. Er hatte sie vorgewarnt, dass er sie nach dem Mord an ihrem Mann beschatten würde, solange sie ihm sein Geld schuldig war. Natürlich wusste er, dass die Freigabe der Leiche einige Wochen beanspruchen würde. Trotzdem war er im Laufe der Wochen immer ungeduldiger geworden. Manchmal rief er sie von einem öffentlichen Telefon aus an und fragte unverfänglich nach. Katja konnte deutlich die Warnung hinter seinen freundlichen Floskeln heraushören. Jetzt durfte absolut nichts schiefgehen, sagte sie sich. Sonst war sie geliefert.

Oft schon hatte sie überlegt, wie der Killer denn eigentlich aussehen mochte. War es der Mann dort drüben an der Ecke? Oder der Fahrer im Wagen hinter ihr? Oder der Jogger, der ihr beim täglichen Laufen am See entgegenkam? Sie hatte keine Ahnung, fand diesen Umstand aber auf perverse Weise erregend. Sie stellte ihn sich als heißblütigen Latino mit schwarzem Haar und braungebranntem starkem Körper vor und war sich fast sicher, dass sie ihn wahrscheinlich auch in Naturalien bezahlen könne.

Kopfschüttelnd versuchte sie wieder in ihre Rolle als trauernde Witwe hinein zu finden. Sie folgte der Empfangssekretärin in die Höhle des Löwen und nahm auf dem Stuhl vor dem imposanten Mahagonitisch des Notars Platz.

"Hallo, Frau Kaiser. Wir haben uns ja bereits auf der Beerdigung Ihres Mannes gesehen", begann Dr. Seiffert und musterte die junge Frau ihm gegenüber. "Sie wissen ja, er war einer meiner ältesten Freunde." Katja nickte und lächelte matt. Sie machte einen gefassten Eindruck und betupfte sich in und wieder die Augen mit einem Taschentuch.

Dr. Seiffert räusperte sich und schlug die Akte Kaiser auf. Diese Witwe vor ihm konnte die am Boden zerstörte Hinterbliebene ausgezeichnet spielen, doch er traute ihr nicht über den Weg. Er mochte sie nicht, hatte sie nie gemocht und konnte Alfreds Entscheidung, diese Frau zu ehelichen, nicht nachvollziehen. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn sie Schuld an seinem Tod trug. Doch der Bericht des Gerichtsmediziners war eindeutig: Kein Fremdverschulden. Außerdem befand sich Katja Kaiser 500 Kilometer weit weg, als Alfred zu seinem Schöpfer heim gerufen wurde, hielt er sich vor Augen. Und doch wurde er den Verdacht nicht los, dass sie irgendwie ihre Hand im Spiel gehabt hatte. Aber andererseits, was hätte sie davon gehabt?

"Nun denn, fangen wir an. Ich lese Ihnen nun das Testament vor, das Ihnen ja wahrscheinlich bereits in groben Zügen bekannt sein dürfte. Ich, Alfred Gregor Kaiser, geboren am 26.07.1951, wohnhaft in Stadtbachallee 7, 82031 München-Grünwald, ordne als meinen letzten Willen folgendes an..."

Katjas Augen wurden immer größer, als sie mit versteinerter Miene der Stimme des Notars lauschte. Ihre Hände fühlten sich eiskalt an und Schweißperlen traten auf ihre Stirn. Das durfte doch nicht wahr sein! Nein, nein , nein, das konnte einfach nicht sein!

"Alles in Ordnung, Frau Kaiser? Sie sind ein bisschen blass um die Nasenspitze." Katja konnte sich ein hysterisches Kichern nicht verkneifen. Sie war sich des argwöhnischen Blicks des Notars durchaus bewusst und sammelte sich mühevoll. "Offensichtlich war mein Mann nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, Dr. Seiffert. Er kann mich doch nicht einfach komplett übergehen! Das ist ungesetzlich, oder nicht?"

"Nun, das stimmt natürlich in gewisser Hinsicht. Da sie jedoch dem Ehevertrag in jeder Hinsicht zugestimmt haben, fällt dieser Punkt damit weg. Selbstverständlich steht es Ihnen dennoch frei, das Testament anzufechten und wenigsten Ihren Pflichtteil einzuklagen. Das wird allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen und die Aussicht auf Erfolg ist in Ihrem Fall gelinde gesagt verschwindend gering. Aber ich verstehe nicht ganz...Sie wussten  doch von seinem sozialem Engagement, oder täusche ich mich? Ihren Mann hat Ihr Verständnis dafür immer sehr beeindruckt, wissen Sie. Er hat bei völliger geistiger Gesundheit angeordnet, dass sein gesamtes Hab und Gut einschließlich aller Konten, der Villa in Grünwald, dem Fuhrpark und den Aktienpapieren zwischen folgenden gemeinnützigen Organisationen und Stiftungen aufgeteilt wird. Dem World Wildlife Found, PETA Deutschland, dem deutschen Kinderhilfswerk - Frau Kaiser? Frau Kaiser, hallo!" Er sprang erschrocken auf und hastete zur Tür. "Frau Michels, rufen Sie sofort einen Notarzt. Frau Kaiser ist eben zusammengebrochen!"


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