Auszug aus "Tödliche Ferien"              (Horror-Kurzgeschichte)

 Anthologie "Jedes Wort ein Atemzug - Magisches Mystisches" (Karina-Verlag)


Tödliche Ferien

- Auszug -



 Nikki schluckte und lauschte auf die Stille des Hauses. Schließlich schlich sie mit zitternden Knien weiter. Wo war Mama bloß? Dann erinnerte sie sich daran, dass ihre Mutter doch heute Morgen mit Lukas zum Arzt gehen wollte. Um Himmels Willen, hatten sie sich etwa schon auf den Weg gemacht und sie hier allein zurückgelassen? Oh bitte nein! Je näher sie der offenen Tür des Gästezimmers kam, desto mehr war sie überzeugt, dass sie gar nicht alleine im Haus war. Das Zimmer vor ihr...war bewohnt, etwas unsagbar Hässliches und Dämonisches lebte darin, hatte immer darin gelebt, und dieses DING fühlte sich gestört von der Familie und wollte - ja, was eigentlich? Doch kaum hatte sich Nikki diese Frage gestellt, da wusste sie auch schon die Antwort.
    Nikki drängte ihre Angst zurück und zwang sich zu Handeln. Ihr Handy lag unten im Wohnzimmer. Und um dorthin zu gelangen, musste sie jetzt an diesem Raum vorbei. Komm schon, Nikki, machte sie sich Mut und schob sich Zentimeter um Zentimeter weiter. Obwohl sie eigentlich nicht hineinschauen wollte, wurde ihren Augen wie magisch von der offenen Tür angezogen. Sie hörte Cäsar drinnen herumschnüffeln. Flüsternd rief sie seinen Namen, doch der Hund reagierte nicht. Eine Ecke des Bettes kam in ihr Blickfeld. Alles wirkte normal. Nikki schlich mit donnerndem Herzen weiter. Nun lag das Zimmer wie auf dem Präsentierteller direkt vor ihr, es wirkte so gewöhnlich wie ein Raum aus einer Zeitschrift für Innendekoration. So harmlos. Dann hörte sie den Hund knurren. Cäsar stand breitbeinig und zähnefletschend vor dem Bett und versuchte, unter die herunterhängende Tagesdecke zu spähen. Sein tiefes Knurren jagte Nikki eine Gänsehaut über den ganzen Körper und sie starrte paralysiert auf den kleinen Terrier. Er spürt es auch, schoss es ihr durch den Kopf. "Cäsar, nein! Komm her!", zischte sie. Die Nackenhaare des Tieres wirkten wie eine Stahlbürste, und Speichelfäden troffen ihm aus dem geifernden Maul. Nikki wich zurück. Auf einmal hatte sie Angst vor ihrem eigenen Hund. Hatte er sich draußen die Tollwut eingefangen? Sein Bellen verwandelte sich immer mehr in eine Mischung aus hysterischem Kläffen und Jaulen. Ihre Angst steigerte sich ins Unermessliche. Das konnte doch einfach nicht wahr sein! In diesem Moment schossen zwei blasse klauenartige Hände unter der Tagesdecke hervor, packten den Hund und rissen ihn unter das Bett. Sein Jaulen steigerte sich zu einem entsetzten Kreischen und brach dann abrupt ab. Nikki hatte das überdeutliche Gefühl, als würde in ihrem Verstand eine Sicherung herausspringen. Sie konnte das Pling in ihrem Gehirn hören, als ob ein Schalter umgelegt worden wäre. Nach einer Millisekunde realisierte sie endlich, dass sie noch  immer noch in der offenen Tür und auf das Bett starrte. Sie wirbelte herum und stürzte zu Treppe.
Als sie die erste Stufe erreichte, verfing sich ihr linker Fuß in dem Teppichläufer, der von einer Seite des oberen Flurs zur anderen reichte. Mit einem entsetzen Aufschrei ruderte sie wild mit den Armen, um ihr Gleichgewicht zu halten und grapschte hektisch nach dem schmiedeeisernen Geländer.  Doch in ihrer Panik glitten ihre schweißnassen Hände an der glatten Oberflächliche ab und Nikki stürzte kopfüber achtzehn steile Marmorstufen hinunter. Sie schlug heftig gegen die Wand, als die Treppe eine Biegung um neunzig Grad machte und rollte die restlichen Stufenfolgen leblos hinunter. Wie eine zerstörte Marionette lag sie mit zerschmetterten Gliedern am Fuße des marmornen Aufgangs.